Sonntag, 22. März 2009

Winnenden

22. März 2009
Für Tim K. brennt keine Kerze

Trauerfeier in der Sankt-Karl-Borromäus-Kirche zu Winnenden: Schülerinnen und Schüler tragen schwarze Pullover mit dem Satz „Ich habe einen Traum.“ Ich. Nicht wir.

Trauerfeier in der Sankt-Karl-Borromäus-Kirche zu Winnenden: Bundespräsident Horst Köhler spricht von Angst und Ratlosigkeit. Seine Frau hält die Hand der Bundeskanzlerin. Nicht mehr ich. Wir.

Trauerfeier in der Sankt-Karl-Borromäus-Kirche zu Winnenden: Landesbischof Frank Otfried July will auch den Amokläufer Tim K. nicht tot schweigen. Tot ist der Amokläufer aber und wird sich „abgeschieden von den Opfern“ vor Gott verantworten müssen. Ich. Und du. Nicht wir.

Trauerfeier in der Sankt-Karl-Borromäus-Kirche zu Winnenden: Vor dem Altar ein Tanzkleid, aufgehängt von den Schülerinnen und Schülern. Nicht mehr ich. Wir.

Trauerfeier in der Sankt-Karl-Borromäus-Kirche zu Winnenden: Für jede tote Schülerin und für jeden toten Schüler wird eine Kerze angezündet. Für Tim K. nicht. Die im Dunkeln sieht man nicht.

Sieht man sie doch, gibt es schnell den Vorwurf: „Immer wird über die Täter geredet. Über die Opfer nicht.“ Sätze wie Peitschenhiebe. Um die Ohren knallen könnte man sie auch jedem, der über Hitler spricht.

Trauerfeier in der Sankt-Karl-Borromäus-Kirche zu Winnenden: Der Bundespräsident sagt, dass nichts mehr so sei, wie es war.

Die Kerzen sind wieder erloschen. Tim K. bleibt in der Dunkelheit seines Amoklaufes. Ist bequemer so. Auch für einen Landesbischof und für den Bundespräsidenten.

Mittwoch, 18. März 2009

Grünpfeil

18. März 2009
Schläfrig in Wilhelmshaven

Wilhelmshaven. Ehrlich gefahren: Mit dem Auto bin ich lieber in Hamburg, Hannover, Dortmund oder München unterwegs als in Wilhelmshaven. Sogar in Florenz oder Rom, in Paris oder Budapest macht es mehr Spaß, in einer Blechlawine dahin zu gleiten als hier zu Stadt hinter einem Auto her zu tuckern, das mit 30 km/h auf der linken Fahrspur zum Ziel schleicht.

Woran liegt´s? Daran, dass in Wilhelmshaven sechs Autos vor einer Ampel „Rush hour“ bedeuten? Wenn kaum jemand unterwegs ist, hat man Zeit und ist unaufmerksam? Wie an der Kreuzung Bismarck-/Heppenser Straße: Dort gibt es „grüne Pfeile“.

Die sind eine Errungenschaft der DDR, dort eingeführt 1978. 2 500 gab es schließlich. Eigentlich heißen sie „Grünpfeile“ und sind am 1. März 1994 in die bundesdeutsche Straßenverkehrsordnung aufgenommen worden. Der Unterschied zwischen „grünen Pfeilen“ und „Grünpfeilen“: Erstere dürfen leuchten, die anderen nicht.

Deshalb geht 90 Prozent der Autofahrerinnen und Autofahrer in Wilhelmshaven an Ampeln mit „Grünpfeil“ kein Licht auf? Deshalb schlummern sie vor sich hin, statt nach links und rechts zu schauen und weiter zu fahren, wenn nichts kommt?

Anders in Leipzig im Jahre 1985. Ein Bekannter wartet am Bahnhof, steigt ein und sagt: „Pass auf. Wenn es an einer Ampel einen ´grünen Pfeil´ gibt, darfst du auch bei Rot rechts abbiegen. Du musst nur auf den Verkehr achten.“ Jeder Trabi-Fahrer hat das damals begriffen, sie knatterten weiter, hätten sie angehalten, wäre die Luft in Leipzig noch schlechter gewesen als so schon.

Trabis sind auf deutschen Straßen kaum noch unterwegs. Aber es gibt ein Paradies für diese fahrbare Plaste. In Weberstedt wird am 14. März eine Sonderausstellung eröffnet. Erich Palitzsch aus Freital präsentiert Kinderspielsachen aus der DDR. Über 1 000 hat der 35-Jährige in 20 Jahren gesammelt: Autos, Schiffe, Weltraumfahrzeuge, Raketen, Baumaschinen, Mixer, Eisenbahnen und noch viel mehr.

Weberstedt liegt in Thüringen, auch Autofahrerinnen und Autofahrer aus Wilhelmshaven könnten also eine kurze Reise dorthin machen. Aber: Dort gibt es „Grünpfeile“ an vielen Ampeln. Von daher dürfte es für motorisierte Wilhelmshavenerinnen und Wilhelmshavener tröstlich sein, dass diese Sonderausstellung bis zum 31. Oktober 2009 läuft. Bis dahin dürften auch sie das Trabiparadies erreicht haben…

Donnerstag, 5. März 2009

Sammelleidenschaft

5. März 2009
Was dürfen Politiker so alles sammeln?

Bei der Durchsuchung privater und dienstlicher Räume des Verteidigungsministers schauen die Kripobeamten aus dem Fenster und sehen mehrere Panzer. Der erklärt daraufhin gegenüber der Presse: „Die sammele ich für meine Arbeit.“

Bei der Durchsuchung privater und dienstlicher Räume der Justizministerin schauen die Kripobeamten aus dem Fenster und sehen im Garten ein originalgetreu nachgebautes Gefängnis. Die erklärt daraufhin gegenüber der Presse: „Habe ich für meine Arbeit nachbauen lassen.“

Bei der Durchsuchung privater und dienstlicher Räume des SPD-Medienexperten Jörg Tauss schauen die Kripobeamten zwar nicht aus dem Fenster, sie entdecken aber dennoch kinderpornografisches Material. Der erklärt daraufhin gegenüber der Presse: „Das sammele ich für meine Arbeit.“

Eine dieser drei Geschichten ist wahr…