Dienstag, 8. Dezember 2009

Dose geleert - tot

8. Dezember 2009
Ratten schrecken vor nichts zurück

Eine Frau geht in Lausanne an Bord, nimmt eine Getränkedose mit, das Schiff legt ab, sie setzt die Dose an die Lippen, stillt ihren Durst. Zwei Tage später stirbt sie in einem Krankenhaus. Die Ärzte stellen bei der Autopsie fest: Die Frau ist vergiftet worden. Klingt wie aus einem Krimi. Stammt aber vom Kantonsspital in Genf. Wird seit zehn Jahren behauptet. Jetzt wieder. Dieses Mal wird die Warnung angeblich von der Ärztekammer für Oberösterreich verschickt.


Immer wieder gibt es Witzbolde, die mails mit Schreckensmeldungen verschicken. Viele fallen darauf herein. In diesem Fall soll Rattenurin auf der Dose die Todesursache gewesen sein. Deshalb lautet der dringende Rat: Getränkedosen gründlich reinigen, bevor man diese an die Lippen setzt. Für die Reinigung empfohlen wird Geschirrspülmittel.

Mail-Empfänger, die in diesen Tagen Schaum vor dem Mund haben, sind auf diesen Scherz hereingefallen, werden ihn sogar weitergeleitet haben. Der Verfasser sitzt derweil in der Metro, denn ein Gutachten eines spanischen Instituts Inmetro hat er auch noch erfunden. Darin stehe: Viele Getränkedosen sind verseuchter als öffentliche Toiletten.

Mit dieser Übertreibung allerdings ist diese mail zwar nicht in der Dose, dafür aber im Eimer. Hoax hin, Scherz kaputt gemacht. Gesammelt werden solche Falschmeldungen von der Technischen Universität Berlin. Wenn man einmal schauen möge, bevor man auf jeden Unsinn hereinfällt.

Mittwoch, 25. November 2009

Straftat in NordWestBahn?

25. November 2009
Teure Zugfahrt mit Hund

„Dafür werden sich heute noch die NordWestBahn und das Inkassobüro aus Osnabrück entschuldigen oder ich stelle Strafantrag wegen falscher Anschuldigung“, ist ein Wilhelmshavener wütend. Vorgeworfen wird dem 46-Jährigen eine „strafbare Handlung“. Zahlen soll er für eine nicht gelöste Hundefahrkarte 102,78 Euro. Für größere Vierbeiner kostet die Fahrt nach Oldenburg 5,15 Euro.


Herbert Schneider (Name geändert) ist vor fast drei Jahren auf den Hund gekommen. Vor der ersten Zugfahrt in den Süden von Niedersachsen löste er im Servicecenter eine Fahrkarte für sich, eine für den kleinen Terrier. Für die Hinfahrt. Nach ein paar schönen Tagen wollte der 46-Jährige die Fahrkarten für die Heimreise kaufen, im dortigen Servicecenter bekam er die Auskunft: „Für Ihren Hund müssen Sie nicht zahlen. Der passt in eine Reisetasche.“ Das war im März 2007.

Die NordWestBahn bringt Fahrgäste aus Wilhelmshaven nach Oldenburg, dort steigen sie in Züge der Bahn AG um. Gültig sind die Beförderungsbestimmungen der Deutschen Bahn. An die wendet sich Herbert Schneider nach seiner Rückkehr und bekommt die Fahrkosten für seinen Hund erstattet.

So machen die weiteren Zugfahrten Spaß, unzählige Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter finden den kleinen Terrier niedlich, niemand will eine Fahrkarte für ihn sehen. Eine Zugfahrt Anfang September nach Oldenburg wird zwar ein wenig getrübt, weil der 46-Jährige seinen Hund auf den Schoß nehmen soll, da er sonst zur Kasse gebeten werde, aber kostenlos ist die Reise für den kleinen Terrier immer noch.

Das ändert sich zwei Wochen später. Ein Zugbegleiter verlangt eine Fahrkarte für den Hund und staucht Herbert Schneider zusammen. Dann tippt er vor sich hin, ausgespuckt wird ein Beleg für ein erhöhtes Beförderungsentgelt, das für die Strecke zwischen Wilhelmshaven und Varel 46,90 Euro beträgt. Die restlichen Bahnkilometer sind für den kleinen Terrier kostenlos? fragt sich der 46-Jährige, steigt in Oldenburg um und fährt mit dem Zug durch mehrere Bundesländer. Die Zugbegleiter wechseln auf der Hinfahrt, auch bei der Rückreise ist das so. Wieder findet das Personal den Hund niedlich, kostenpflichtig wird er aber nicht. Auch nicht in der NordWestBahn zwischen Oldenburg und Wilhelmshaven.

Das interessiert den Vertriebsleiter dieses Unternehmens aber nicht. Er schreibt am 10. November 2009: „Sie schreiben, dass Sie in der Vergangenheit keine Fahrkarte für Ihren Hund lösen mussten und bei Kontrollen nicht darauf hingewiesen wurden. Wir können uns nur zu der durch unseren Mitarbeiter erfolgten Kontrolle äußern, bei der berechtigt die fehlende Fahrkarte beanstandet wurde.“

Sofort hakt Herbert Schneider nach und will von der NordWestBahn wissen, ob sich der Zugbegleiter nicht mit dem Beförderungsentgelt für einen größeren Hund hätte begnügen können. 5,15 Euro hätte der 46-Jährige noch verschmerzt.

Die NordWestBahn jedoch antwortet nicht, sie schaltet am 24. November 2009 ein Inkassobüro aus Osnabrück ein. Die so genannte „Restforderung“ beträgt inzwischen 102,78 Euro, Begründung: „Wir sind von der NordWestBahn GmbH mit dem Forderungseinzug aus strafbarer Handlung beauftragt.“ Diese Formulierung stuft der 46-Jährige als Verleumdung ein, die Gesamtsumme setzt sich so zusammen: 46,90 Euro Beförderungsentgelt Strecke Wilhelmshaven-Varel, 0,08 Euro Verzugszinsen, sonstige Nebenforderungen der NordWestBahn 15,00 Euro, Kontoführungsgebühren 1,80 Euro, Kosten für Verzugsschaden 39,00 Euro.

Dazu Herbert Schneider: „Wie die Sache auch ausgeht, mit der NordWestBahn fahre ich nie wieder!“ Bis Oldenburg nimmt er seither sein Auto und steigt dort in den Zug. Denn: Auch Mitte Oktober hat er hin und zurück über 1000 Zugkilometer zurückgelegt. Kostenpflichtig für den Wilhelmshavener, kostenlos für den kleinen Terrier…

Freitag, 2. Oktober 2009

Zippert zappt

2. Oktober 2009
Wie lange leidet der Journalismus schon unter Maybrit Illner?

Der Journalismus leidet schon länger unter Maybrit Illner. Wenn die sich vorbeugt, meint sie, eine kluge Frage gestellt zu haben. Gefallen ihr deswegen die Antworten nicht, rümpft sie die Augenbrauen, denn die Nase für spannende Themen, mit denen Talkshowgäste nicht rechnen, hat sie längst verloren.

Da lobe ich mir das gedruckte Wort von Zippert. Der zappt täglich auf „Welt“-Seite 1 links oben eine Kurzmeldung aus dem politischen und dem Alltagsgeschehen so genial ins Absurde, dass man auf den nächsten Satz gespannt ist und sich schmunzelnd wünscht, dass bald alle anderen Redakteure entlassen werden.

Zippert heute: „Der neue SPD-Vorsitzende wird wohl Sigmar Gabriel heißen. Er sieht aus wie Kurt Beck, aber ohne Bart, deshalb kann sich sowohl der linke als auch der rechte Flügel der Partei auf ihn einigen.“

Zippert am 29. September 2009: „Eine unvergessliche Wahlnacht. Berührend die Bilder des jubelnden Steinmeiers, bis ihm jemand erklärte, dass er gar nicht Merkel heißt.“

Danach hat er stets viele Pfeile im Ironie-Köcher. Bei Gabriel die Patenschaft für Knut, der im Zoo von Wowereit wohnt und inzwischen mehr wiegt als der nächste SPD-Parteivorsitzende. Für beide möge gelten: Sie werden nicht zum Abschuss frei gegeben, bei Steinmeier der große Vorsprung vor den anderen Oppositionsparteien, der trotzdem viele SPD-Abgeordnete arbeitslos gemacht habe, aber immerhin sei für diese Arbeitslosen noch eine Beschäftigung als Parlamentsbote oder im Reinigungsdienst drin, bevor sie mit 67 in Rente gehen können.

Ganz schön gepfeffert wie früher einmal das „Streiflicht“ in der „Süddeutschen“. Vielleicht sollte einmal jemand Günter Wallraff einschalten, um herauszufinden, ob der einen Zeitung aus München ein Redakteur abhanden gekommen ist, der jetzt für eine Zeitung aus Hamburg arbeitet. Man kennt das: Wenn die Ablösesumme stimmt, passiert so was. Oder arbeitet dieser Enthüllungsjournalist aus Köln immer noch für irgendein Call-Center? Schade wär´s. Wenn sich jemand bei Springer auskennt, dann er!

Donnerstag, 6. August 2009

Sexualkunde und Karneval

6. August 2009
Baptisten-Eltern scheitern auch in Karlsruhe

Die Eltern sind streng religiös und gehören einer baptistischen Gemeinde an, die Söhne sind 10 und 11 Jahre alt, sie besuchen eine Grundschule, die im Februar 2007 ein Theaterprojekt über sexuellen Missbrauch auf die Bühne gebracht hat und Karneval ohne Kostümzwang feierte, während als Alternativen Schwimm- und Turnunterricht angeboten wurden. Die Eltern schickten ihre Kinder nicht zur Schule, geißelten Karneval als “katholisches Fest” der Zügellosigkeit und lehnten “freie Sexualität” ab. Das Amtsgericht in Paderborn und das Oberlandesgericht in Hamm verhängten ein Bußgeld von 80 Euro, weil es sich um Pflichtveranstaltungen gehandelt habe, die Rechte der Eltern seien nicht verletzt worden. Das sahen Mutter und Vater aber immer noch anders. Sie schalteten das Bundesverfassungsgericht ein und scheiterten erneut.

Die Karlsruher Richter lehnten eine Entscheidung über die Beschwerde ab und unterzogen die Gerichtsentscheidungen einer näheren Betrachtung. Die Urteile seien in Ordnung, die Schulpflicht habe in diesem Fall Vorrang vor religiösen Überzeugungen. Bei dem Theaterprojekt sei es um Aufklärung gegangen, Karneval könne nicht als “katholisches Fest” bezeichnet werden.

Zudem hätten die Gerichte “einfaches Recht” angewendet, da könne sich Karlsruhe nicht einmischen, denn: “ Nur bei einer Verletzung spezifischen Verfassungsrechts kann das Bundesverfassungsgericht auf Verfassungsbeschwerde hin eingreifen.” Eine Grundrechtsverletzung hätten die Eltern nicht deutlich gemacht.

Bei einer Abwägung zwischen Erziehungsauftrag des Staates und Erziehungsrecht der Eltern sei das Ergebnis: Aus dem Lot geraten ist nichts. Eltern hätten zwar Anspruch auf “Toleranz und Neutralität”, doch weder mit dem Theaterprojekt noch mit der Karnevalsfeier sei Unzulässiges geschehen. Unzumutbare Gewissens- und Glaubenskonflikte habe niemand heraufbeschworen.

Der Vorwurf der Eltern, das Theaterprojekt “spreche Kindern eine ´freie Sexualität´ zu“, halte einer Überprüfung nicht stand. Daher gelte: “Unter diesen Umständen besteht kein Anhalt dafür, dass die Fachgerichte die Glaubensfreiheit und das Recht der Beschwerdeführer auf Erziehung ihrer Kinder in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht in ihrer Wirkkraft und Tragweite verkannt haben könnten.”

Abschließend stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass im Schulalltag das Aufeinanderprallen von religiösen Überzeugungen einer Minderheit und einer “damit in Widerspruch stehenden Tradition einer anders geprägten Mehrheit” als zumutbar einzustufen ist.

Heinz-Peter Tjaden vs Peter Hahne



Das Auto als Symbol für Freiheit und Abenteuer?

Donnerstag, 23. Juli 2009

Der Käfer

23. Juli 2009
Von Buchstabe zu Buchstabe

Notebook aufklappen, Tastendruck, blau, Monitor hell, Passwort eingeben, Textverarbeitung aufrufen, neue Datei anlegen - stzt sich in Käfr auf das e und hat inzwichen da erreicht, setzt en Weg fort - leier nicht zum y, sonern zum , wo der Käer aber auch nicht verweilt, weil er mittlerweile das f passiert und das erreicht hat.

Ist ein hübscher Käfer, brauner Körper, am Rand hellbraun. Behindert mich aber beim Schreiben. Wenn er sich allerdins auf diesem Buchstaben ausruhen würde, könnte ich das g später noch einfügen, was jetzt auch noch mit dem gescheen müsste, wie bereits mit dem e, dem s, dem d, dem f nd dem h.

Das Telefon klingelt. Mein Kollege.

„Wann ist dein Artikel fertig?“

Schildere das Problem, berichte, dass sich der Käfer gerade af dem asrht.

„Schlag das Vieh doch einfach tot. Ist doch nr ngeziefer.“

Gebe zu bedenken, dass Unkraut seit dem Einzug der Grünen in den Bundestag ncht mehr so genannt werden soll und bekenne: „Außerdem weß ch ncht so genau, was das Tierkörperbeseitigungsgesetz dazu sagt.“

Man, ist dieser Käfer schnell, sitzt schon auf der 9 inklusive ).

Äußere mein Wohlgefallen an dem Ruheplatz des Käfers und verspreche: „In 3 Minuten hast du den Text.“

„So schnell?“ wundert sich mein Kollege.

Zum Glück ist der Käfer soeben von der 0 verschwunden und dreht sich auf dem ß in Richtung p: „In 30 Minuten.“

Wenn der Käfer jetzt - Pech gehabt!

Samstag, 6. Juni 2009

Kabel Deutschland

6. Juni 2009
Aufregendes Leben mit Erfurter Unternehmen

Unzählige Fernsehsender - aber trotzdem gähnende Langeweile in der Röhre? Muss nicht sein. Kunde bei Kabel Deutschland werden und schon wird jeder Tag spannend, beschäftigt ist man auch. Diese Jobgarantie gibt es als Paket, wenn man bei diesem Erfurter Unternehmen alles Mögliche bestellt: Kabelfernsehen, Digitalfernsehen, Telefon- und Internet-Pauschale.

Beginnt ein neuer Monat, beginnen neue aufregende Wochen, die mit Rechnungen gestartet werden. Die begleichen reicht nämlich nicht. Irgendwann ruft jemand an, erkundigt sich nach der jüngsten Überweisung und stellt fest: „Der Betrag stimmt nicht.“ Gibt man zu bedenken, dass dieser Betrag aber auf der Rechnung gestanden habe, tritt auf der anderen Seite Schweigen ein. Beendet wird es mit dem Versprechen: „Ich rufe noch einmal an.“ Kann man gleich wieder vergessen. Deswegen noch einmal angerufen wird nie. Da helfen auch keine mails. Die beantwortet ein Automat. Mehr kommt erst einmal nicht.

Bis neue Rechnungen kommen. Weil ein neuer Monat begonnen hat. Aus dem angeblich falschen Überweisungsbetrag wird sogleich ein Mahnbetrag. Hinzu kommen die monatlichen Kosten. Überweist man auch diese Summe, ist das keine sehr gute Idee. Besser ist: Man überweist nicht und wartet ab. Denn die Drohung, dass alle Anschlüsse gesperrt werden, lässt nie lange auf sich warten. Aber immerhin: Die von Kabel Deutschland geforderte Summe sinkt. Dieses Erfurter Geheimnis lösen kann wohl niemand.

Macht man nun wieder den Fehler einer Überweisung, landet auch die als falscher Betrag in der Mahnabteilung. Und wird bei der nächsten Rechnung erneut drauf geschlagen. Es bleibt einfach, wie es ist: Zahlungen führen zu einem Auf bei den Schulden, Nichtzahlungen zu einem Ab. Das muss man nur wissen, bevor man Kunde bei Kabel Deutschland wird…

Donnerstag, 16. April 2009

Plus für Plus

16. April 2009
Dann auch noch eine Flasche Rotwein

Neulich in einem Plus-Markt in Wilhelmshaven - weil: Mein Lexmark-Drucker funktioniert ein gutes Jahr nach dem Kauf nicht mehr. Ist aber noch Garantie drauf. Sagt ein Mitarbeiter: „Nach sechs Wochen sind wir dafür nicht mehr zuständig. Aber in der Gebrauchsanweisung Ihres Druckers ist eine Hotline angegeben.“

Stimmt. „Gibt´s ein Problem?“ werde ich in dieser Gebrauchsanweisung gefragt. Gibt es: Mein Drucker hat seinen Namen nicht mehr verdient. Weiter unten steht; „Tel. Deutschland: 0180/55 12 511. Mo bis Fr zwischen 9 und 18 Uhr (0,12 €/Min.) Ich wähle die Nummer. Geht hoffentlich schnell. Ist ja nicht gerade billig der Anruf. Meldet sich eine Bandstimme, die mir erst einmal erzählt, wo ich gelandet bin, und nach etwa einer Minute vorschlägt: Haben Sie ein…Problem, drücken Sie die 1, haben Sie ein…Problem, drücken Sie die 2...“ Endlich erreicht die Bandstimme die „3“. Die ist richtig.

Meldet sich eine Männerstimme. Die nennt Firma und Namen so langatmig, als wolle sie Zeit schinden, und fragt dann doch noch: „Was kann ich für Sie tun?“ Zwei Minuten sind herum. 24 Cent. Ich nenne dem Mitarbeiter das Problem. Er fragt: „Sind Sie gerade am PC?“ Das bestätige ich. Nun folgen Anweisungen für Rechts- und Links-Klicks, dann soll ich noch Norton tillen und Firewall minimieren. Mache ich. Mein Notebook protestiert: „Es gibt Sicherheitsprobleme. Bitte sofort beheben.“ Aber: Erst einmal soll mein Drucker wieder seinen Namen verdienen. Zehn Minuten sind herum. 1,20 Euro. Dann 14 Minuten. Mein Drucker bleibt stur. Er funktioniert nicht.

Ich werde ein wenig ungeduldig, frage die Männerstimme, ob ich ein neues Gerät bekomme. Dafür sei er nicht zuständig, bedauert der Lexmark-Hotliner und sackt weitere 12 Cent ein. Ich verabschiede mich. Doch er lässt mich nicht. Ich müsse mir erst noch den Code für dieses Gespräch notieren und ihm die Gerätenummer meines Druckers mitteilen. Dann will er auch noch meinen Namen und meine Anschrift wissen. Mir reicht es. 16 Minuten sind vergangen. 1,92 €.

Wieder im Plus-Markt: Ich berichte dem Filialleiter von dem Gespräch. „Bringen Sie den Drucker vorbei“, sagt er. „Sie bekommen Ihr Geld zurück.“ Bekomme ich. 49 Euro. Und wegen der Telefonkosten für den Anruf bei Lexmark schenkt er mit eine Flasche Rotwein. Amselkeller. 1,89 €.

Fest steht: Ich kaufe mir nie wieder einen Drucker von Lexmark. Im Plus-Markt kaufe ich weiter gern ein.

Sonntag, 22. März 2009

Winnenden

22. März 2009
Für Tim K. brennt keine Kerze

Trauerfeier in der Sankt-Karl-Borromäus-Kirche zu Winnenden: Schülerinnen und Schüler tragen schwarze Pullover mit dem Satz „Ich habe einen Traum.“ Ich. Nicht wir.

Trauerfeier in der Sankt-Karl-Borromäus-Kirche zu Winnenden: Bundespräsident Horst Köhler spricht von Angst und Ratlosigkeit. Seine Frau hält die Hand der Bundeskanzlerin. Nicht mehr ich. Wir.

Trauerfeier in der Sankt-Karl-Borromäus-Kirche zu Winnenden: Landesbischof Frank Otfried July will auch den Amokläufer Tim K. nicht tot schweigen. Tot ist der Amokläufer aber und wird sich „abgeschieden von den Opfern“ vor Gott verantworten müssen. Ich. Und du. Nicht wir.

Trauerfeier in der Sankt-Karl-Borromäus-Kirche zu Winnenden: Vor dem Altar ein Tanzkleid, aufgehängt von den Schülerinnen und Schülern. Nicht mehr ich. Wir.

Trauerfeier in der Sankt-Karl-Borromäus-Kirche zu Winnenden: Für jede tote Schülerin und für jeden toten Schüler wird eine Kerze angezündet. Für Tim K. nicht. Die im Dunkeln sieht man nicht.

Sieht man sie doch, gibt es schnell den Vorwurf: „Immer wird über die Täter geredet. Über die Opfer nicht.“ Sätze wie Peitschenhiebe. Um die Ohren knallen könnte man sie auch jedem, der über Hitler spricht.

Trauerfeier in der Sankt-Karl-Borromäus-Kirche zu Winnenden: Der Bundespräsident sagt, dass nichts mehr so sei, wie es war.

Die Kerzen sind wieder erloschen. Tim K. bleibt in der Dunkelheit seines Amoklaufes. Ist bequemer so. Auch für einen Landesbischof und für den Bundespräsidenten.

Mittwoch, 18. März 2009

Grünpfeil

18. März 2009
Schläfrig in Wilhelmshaven

Wilhelmshaven. Ehrlich gefahren: Mit dem Auto bin ich lieber in Hamburg, Hannover, Dortmund oder München unterwegs als in Wilhelmshaven. Sogar in Florenz oder Rom, in Paris oder Budapest macht es mehr Spaß, in einer Blechlawine dahin zu gleiten als hier zu Stadt hinter einem Auto her zu tuckern, das mit 30 km/h auf der linken Fahrspur zum Ziel schleicht.

Woran liegt´s? Daran, dass in Wilhelmshaven sechs Autos vor einer Ampel „Rush hour“ bedeuten? Wenn kaum jemand unterwegs ist, hat man Zeit und ist unaufmerksam? Wie an der Kreuzung Bismarck-/Heppenser Straße: Dort gibt es „grüne Pfeile“.

Die sind eine Errungenschaft der DDR, dort eingeführt 1978. 2 500 gab es schließlich. Eigentlich heißen sie „Grünpfeile“ und sind am 1. März 1994 in die bundesdeutsche Straßenverkehrsordnung aufgenommen worden. Der Unterschied zwischen „grünen Pfeilen“ und „Grünpfeilen“: Erstere dürfen leuchten, die anderen nicht.

Deshalb geht 90 Prozent der Autofahrerinnen und Autofahrer in Wilhelmshaven an Ampeln mit „Grünpfeil“ kein Licht auf? Deshalb schlummern sie vor sich hin, statt nach links und rechts zu schauen und weiter zu fahren, wenn nichts kommt?

Anders in Leipzig im Jahre 1985. Ein Bekannter wartet am Bahnhof, steigt ein und sagt: „Pass auf. Wenn es an einer Ampel einen ´grünen Pfeil´ gibt, darfst du auch bei Rot rechts abbiegen. Du musst nur auf den Verkehr achten.“ Jeder Trabi-Fahrer hat das damals begriffen, sie knatterten weiter, hätten sie angehalten, wäre die Luft in Leipzig noch schlechter gewesen als so schon.

Trabis sind auf deutschen Straßen kaum noch unterwegs. Aber es gibt ein Paradies für diese fahrbare Plaste. In Weberstedt wird am 14. März eine Sonderausstellung eröffnet. Erich Palitzsch aus Freital präsentiert Kinderspielsachen aus der DDR. Über 1 000 hat der 35-Jährige in 20 Jahren gesammelt: Autos, Schiffe, Weltraumfahrzeuge, Raketen, Baumaschinen, Mixer, Eisenbahnen und noch viel mehr.

Weberstedt liegt in Thüringen, auch Autofahrerinnen und Autofahrer aus Wilhelmshaven könnten also eine kurze Reise dorthin machen. Aber: Dort gibt es „Grünpfeile“ an vielen Ampeln. Von daher dürfte es für motorisierte Wilhelmshavenerinnen und Wilhelmshavener tröstlich sein, dass diese Sonderausstellung bis zum 31. Oktober 2009 läuft. Bis dahin dürften auch sie das Trabiparadies erreicht haben…

Donnerstag, 5. März 2009

Sammelleidenschaft

5. März 2009
Was dürfen Politiker so alles sammeln?

Bei der Durchsuchung privater und dienstlicher Räume des Verteidigungsministers schauen die Kripobeamten aus dem Fenster und sehen mehrere Panzer. Der erklärt daraufhin gegenüber der Presse: „Die sammele ich für meine Arbeit.“

Bei der Durchsuchung privater und dienstlicher Räume der Justizministerin schauen die Kripobeamten aus dem Fenster und sehen im Garten ein originalgetreu nachgebautes Gefängnis. Die erklärt daraufhin gegenüber der Presse: „Habe ich für meine Arbeit nachbauen lassen.“

Bei der Durchsuchung privater und dienstlicher Räume des SPD-Medienexperten Jörg Tauss schauen die Kripobeamten zwar nicht aus dem Fenster, sie entdecken aber dennoch kinderpornografisches Material. Der erklärt daraufhin gegenüber der Presse: „Das sammele ich für meine Arbeit.“

Eine dieser drei Geschichten ist wahr…

Dienstag, 17. Februar 2009

Innerörtliche Nachverdichtung

17. Februar 2009
Soll geschehen in Wilhelmshaven: innerörtliche Nachverdichtung

Meine Mutter weiß es nicht, mein Bruder ist Lokalpolitiker und weiß es wahrscheinlich auch nicht, die Mitarbeiterin im „Löwenplay“ in der Gökerstraße blättert hin und blättert zurück, dann liest sie laut vor: „Innerörtliche Nachverdichtung, was soll das denn sein?“

Diese Frage bringt auch mich ins Grübeln. Wenn die Tür der Spielhalle dicht ist und man noch ein Schloss anbringt, das könnte Nachverdichtung sein. Innerörtlich würde auch stimmen.

Mein Hund kommt angewedelt, er will den unterbrochenen Spaziergang fortsetzen. Der ist nicht ganz dicht, schießt mir durch den Kopf. Aber wenigstens geht er mir nach, so lange ich ihn an der Leine habe. Also auch so eine Art Nachverdichtung. Richtiger wäre allerdings: Nachdichtung. Da es sich bei Mike aber nicht um ein Plagiat handelt, verwerfe ich diesen Gedanken wieder.

Fest steht: Die Lokalzeitung von Wilhelmshaven druckt alles, was aus dem Rathaus kommt. Ist schon immer so gewesen. Habe ich sogar als Pressesprecher der Wilhelmshavener Jungsozialisten erfahren. Nach dem zweiten Redaktionsbesuch wegen eines Berichtes hat mir die Redakteur Manuskriptpapier der „Wilhelmshavener Zeitung“ mitgegeben. So sah sie fortan mit einem Blick, wie viele Zeilen mein Artikel in der nächsten Ausgabe einnehmen würde. Und ab in den Druck! Nachverdichtung oder gar Nachdichtung kam für sie gar nicht infrage.

Also wieder nichts. Immerhin aber erfahre ich nun von der Mitarbeiterin des „Löwenplay“, dass es um einen Supermarkt geht. Vielleicht regnet es durch und der Markt muss nach verdichtet werden? Schon zeigt das Korrekturprogramm meines Notebooks einen Fehler an. War also auch nicht richtig.

Vielleicht aber weiß eine Leserin oder ein Leser mehr? Bitte melden!

Sonntag, 25. Januar 2009

Franck Ribéry

25. Januar 2009
Ex-Berater wäscht schmutzige Illustriertenwäsche

„…ist streckenweise fast nicht zu glauben“, verkauft die Luxemburger Illustrierte „Revue“ in ihrer nächsten Ausgabe die Titelstory „Luxemburger klagt Bayern-Star Ribéry an“. Inzwischen hinlänglich bekannter Ankläger ist der Ex-Berater des 25-jährigen Franzosen. Bruno Heiderscheid wäscht ab Mittwoch an vielen Kiosken munter schmutzige Wäsche.

Über vier Millionen Euro sind dem 40-Jährigen beim Transfer von Ribéry zu Bayern München durch die Lappen gegangen. Damit beschäftigt sich die Justiz. Bruno Heiderscheid dagegen beschäftigt sich in der „Revue“ eher mit Privatem. Auch damit kann man die eigene Kasse klingeln lassen, denn solche Magazin-Storys spülen Geld aufs Konto. Man muss nur mächtig genug vom Leder ziehen, aus dem genialen Fußballer einen Frauenhelden machen und seine religiösen Überzeugungen mit seinem angeblichen Verhalten außerhalb des Fußballplatzes vergleichen, bis einem „das feuchte Kotzen“ kommt.

Dazu heißt es in der Ankündigung des Wochenmagazins: „Und doch entspricht der Fall Bruno Heiderscheid contra Franck Ribéry der Wahrheit. Der Luxemburger hat die Justiz mit dem Fall befasst. Er ist zu allem entschlossen und nimmt in Luxemburgs Wochenmagazin kein Blatt vor den Mund.“

Wenn Journalisten derart zu Gericht sitzen, klingt das immer ein wenig merkwürdig, denn was die Wahrheit ist, wurde juristisch noch gar nicht geklärt. Franck Ribéry sollte sich also nicht beeindrucken lassen, weiter tolle Pässe schlagen und so seine Fußballarbeit für Bayern München machen. Was aus seinem Ex-Berater geworden ist, kann der 25-Jährige immer noch Revue passieren lassen. Wenn er 40 ist - beispielsweise…

Dienstag, 20. Januar 2009

Ursula von der Leyen

20. Januar 2009
Als die Bundesfamilienministerin einmal...

„Eine junge Frau durchlitt alle Ängste des Verfolgtseins, der Bedrohung durch rohe Gewalt, des Angriffs auf den Körper, eine sexuelle Beleidigung, die Furcht bis an die Schwelle der Panik - und dann die Befreiung…“, so hat am 16. August 1980 ein Lokalredakteur aus Burgdorf bei Hannover nachgelegt, weil die derart Gepeinigte mit dem Artikel vom Vortag nicht ganz zufrieden war und telefonisch weiteres Öl in das journalistische Feuer goss.

Der Name der Informantin lautete: „Röschen“ Ursula-Gertrud Albrecht. Die inzwischen Ursula von der Leyen heißt, als Bundesfamilienministerin so häufig den Sprung in die Schlagzeilen schafft wie sonst kaum jemand aus dem Kabinett und zurzeit nach einem möglichen Regierungswechsel als Bundesgesundheitsministerin gehandelt wird. Wie man in die Schlagzeilen kommt, hat sie in jenen Tagen auch schon als 22-jährige Studentin gewusst. Die Telefondrähte ließ sie so lange glühen, bis alles in der Lokalzeitung stand. Der Lokalredakteur war dafür ein dankbarer Abnehmer, er hatte sein Handwerk bei einer Illustrierten gelernt.

Loblieder auf das Opfer wechselten sich in diesem Artikel ab mit Horrorszenen, in denen ein 14-Jähriger die Hauptrolle spielte. Das las sich so: „Was die 22jährige Tochter des Ministerpräsidenten allerdings dann tat, ist beispielhaft und läßt überragenden psychologischen und pädagogischen Instinkt erkennen. Sie setzte sich für den Jungen auf eine energische und wirkungsvolle Weise ein, die sie als würdige Tochter eines Elternpaares erscheinen läßt, das selbst ein Beispiel christlicher Nächstenliebe gibt, denn die Mutter ist Schutzherrin der Lebenshilfe, ihr Vater Schutzherr der Vietnamflüchtlinge.“

So hat sie es damals lesen wollen, so schrieb es der Redakteur, der anschließend schilderte, wie sich „Röschen“ Ursula-Gertrud Albrecht seinerzeit in Burgdorf-Beinhorn auf ihr Rad geschwungen und auf den Weg in ein Nachbardorf gemacht hatte. Und schon wurde sie von einem 14-Jährigen verfolgt, der schließlich „brutal zugriff“. Also kehrte sie um, der Junge aber blieb hinter ihr: „Ich hörte sein Keuchen in meinem Rücken.“ So lautete auch die Schlagzeile.

Dann erzählte die 22-Jährige: „Ich starrte ihn an. Wortlos. Und ich sah in seinen Augen die Hemmungslosigkeit. Ich sah aber auch den Jungen, etwas schmutzig, und ich dachte an meine Brüder, die manchmal auch so schmuddelig aussehen, wenn sie vom Spielen kommen. Und dann wieder die Anwendung brutaler Gewalt…fast geriet ich in Panik.“

Doch so weit kam es nicht, vor ihrem Elternhaus stieg sie in ein Polizeiauto und aus dem 14-Jährigen wurde der Verfolgte, der kurz darauf ebenfalls im Fahrzeug saß und wimmerte: „Bitte, sagt es nicht meiner Mutter!“ Taten sie aber doch und „Röschen“ Ursula-Gertrud Albrecht bekam einen Anruf von der Mutter des Jungen. Die Mutter bat um Rücknahme der Strafanzeige.

Statt dessen wurde sie öffentlich und für einige identifizierbar an den Pranger gestellt. Das bewerkstelligten der Lokalredakteur und „Röschen“ Ursula-Gertrud Albrecht als minutenlang am Telefon Plaudernde so: „Was sie dann auf dem kleinen Hof nahe (es folgt der Name des Dorfes) erfuhr, erklärt vieles, entschuldigt aber nichts. Erst, als Fräulein Albrecht verlangte, allein mit dem Jungen zu sprechen, erfuhr sie, dass er zwar seinen Stiefvater mochte und respektierte, aber Angst vor der Mutter hatte. So wurde er, dessen leiblicher Vater nach zehnjähriger Nervenkrankheit gestorben war, aggressiv, hatte Schwierigkeiten in der Schule.“

Die nach diesem Artikel die Mutter bekam, denn mehr Informationen braucht in einem Dorf niemand, um mit Fingern auf einen kleinen Hof zu zeigen. Das Ende von der Zeitungsgeschichte: „Der Junge, seine Mutter und sein Stiefvater waren einverstanden, dass er sein Zuhause verläßt. Ab heute wohnt er auf Vermittlung jener Frau, die er angegriffen hatte, in einem Jugenddorf, wo er an einem Berufsförderungslehrgang teilnehmen kann.“

Als das in der Burgdorfer Lokalzeitung stand, wusste der Vater von „Röschen“ Ursula-Gertrud Albrecht angeblich noch von nichts: „Ich schreibe ihm heute alles in einem Brief.“ Ob das noch nötig war? Ein Polizeibeamter sagte damals: „Die Geschichte habt ihr aber ganz schön aufgeblasen.“ „Röschen“ Ursula-Gertrud Albrecht hatte dem Lokalredakteur aber auch den Notizblock so was von voll diktiert…

Freitag, 16. Januar 2009

Klaus Zumwinkel

16. Januar 2009
Und nun: Über 600 Jahre Gefängnis für Klaus Zumwinkel?

Wilhelmshaven: Ein 26-Jähriger muss sechs Wochen ins Gefängnis, weil er das Jobcenter um 160 Euro betrogen hat. Nach dem Amtsgericht warf ihm auch das Oldenburger Landgericht „Betrug durch Unterlassen“ vor. Verschwiegen hatte der Langzeitarbeitslose eine Nebenbeschäftigung in einem Restaurant. Monatliches Einkommen: 200 Euro. Nach diesem Urteil ist auch noch möglich: Der 26-Jährige muss nicht nur diese Strafe, sondern zwei weitere Bewährungsstrafen absitzen.

Bochum: Au, weia! Die Strafe, die den ehemaligen Postchef Klaus Zumwinkel erwartet, kann man nun gar nicht mehr ausrechnen. Aber man kann es versuchen: Oldenburg auf Bochum umgerechnet, bedeutet: Ein Tag Gefängnis für vier unterschlagene Euro. Vorgeworfen wird Klaus Zumwinkel die Unterschlagung von knapp einer Million Euro an Steuern zwischen 2002 und 2006. 2001 hat das Bochumer Landgericht schon herausgerechnet. Das ist verjährt.

Ist man genauso großzügig wie diese Richter, dann lautet die Gefängnisstrafe für Klaus Zumwinkel: 250 000 Tage, das sind über 600 Jahre. Ob man so etwas noch zur Bewährung aussetzen kann, sei dahingestellt. Schließlich ist der ehemalige Postchef nicht mehr der Jüngste.

Doch so argumentieren darf man in Deutschland nicht: Die Verhandlung vor dem Bochumer Landgericht ist auf zwei Tage angesetzt, zu einem „Also, so geht das nicht!“ der Staatsanwaltschaft wird es also gerade noch reichen. Zu mehr nicht. Klaus Zumwinkel zahlt die unterschlagene Summe und verlässt als freier Mann den Gerichtssaal. Darauf dürfen durchaus Wetten angenommen werden.

Wilhelmshaven: Dem 26-Jährigen kann man nur raten: Sobald er das Gefängnis wieder verlassen hat, alles dem Jobcenter melden. Das läuft dort so: Anträge landen erst einmal in der falschen Abteilung, Meldungen über Nebeneinkünfte stapeln sich auf Schreibtischen überforderter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hat die Bearbeitung stattgefunden, einigt man sich auf eine Ratenzahlung für die zu viel gezahlten Leistungen des Jobcenters. Das ist immer noch besser als Gefängnis.

Wäre der 26-Jährige übrigens als Beschäftigter des Restaurants eines Tages so erfolgreich gewesen, dass er sich hätte selbstständig machen können, wäre ein ähnlicher Lebenslauf möglich wie der dieses Wilhelmshaveners. Seine Erfahrungen:

„´Fordern und fördern” lautet das Motto der Jobcenter? Unaufgefordert jedoch wird man schnell in einen Papierkrieg befördert, der unter Umständen länger dauern kann als der 30-jährige Krieg. Da hilft nur eins: Anträge zurückziehen, die Waffen strecken. Sonst wird nie etwas aus einer Idee, wie aus meiner, die ich bei einem Chat mit einem Fan von Dynamo Dresden hatte: Bundesweite Seiten einrichten für die Fans aller Fußballvereine, dort Aktionen vorstellen, gemeinsame Begeisterung entfachen.

“Gute Idee”, fand der Niedersächsische Fußballverband. Also stellte ich schon einmal ein paar Seiten ins Netz, denn Werbung konnte nie schaden. Informiert wurde von mir auch das Jobcenter, ich schaltete sogar eine Anzeige in der ´Wilhelmshavener Zeitung´. Zwischenzeitlich hatte mich das Jobcenter dazu aufgefordert: Wenn Sie mit diesen Fan-Seiten den Sprung in die Selbstständigkeit wagen wollen, dann unterrichten Sie bitte das Finanzamt, das Gewerbeaufsichtsamt und die Künstlersozialkasse, die für die Sozialversicherung zuständig wäre, wenn aus einem Hobby eine ´gewerbsmäßige Tätigkeit´ wird.

Wurde erledigt - und von der Künstlersozialkasse bekam ich auch umgehend einen Formularsatz, vom Jobcenter einen Antrag auf Gewährung von Einstiegsgeld für sechs Monate. Füllte ich aus. Zwei Monate später meldete sich erneut die Künstlersozialkasse, forderte Nachweise über meine bisherigen Einnahmen, die ich noch gar nicht haben konnte, weil es noch gar keine Entscheidung des Jobcenters gab.

Dort tüftelte man derweil weitere Fragen an mich aus, die mir zwei Wochen später zugestellt wurden. Manches grenzte schon an Spionage, denn gefordert wurde von mir beispielsweise der Nachweis, dass ich bei einer Förderung meinen Computer nur beruflich, keinesfalls privat nutzen würde. Vorlegen sollte ich außerdem eine ´bisherige´ Gewinn- und Verlustrechnung für meine Fan-Seiten, die aus der Planungsphase noch gar nicht herausgekommen waren.

Andererseits ließ das Jobcenter Zweifel an meinem Projekt durchschimmern und erkundigte sich zum wiederholten Male, wie ich mit den Fanseiten überhaupt Einnahmen erzielen wollte. Das hatte ich zwar schon erläutert, aber doppelt und dreifach fragen ist wohl besser, wenn man nie zuhört. Und ich würde die Behörden, die ich auf Geheiß des Jobcenters über meine Idee informiert habe, wohl nie wieder los werden.

´Jetzt geht es los´, singen die Fans, wenn es für die eigene Mannschaft gut läuft, aber noch besser werden könnte. Das Jobcenter jedenfalls hätte ich besser nicht über meine Idee informiert. Denn: Wenn etwas aus den Fan-Seiten werden soll, muss ich es allein probieren.

´Fordern und fördern´ ist eben wohl doch nur eine Floskel in Sonntagsreden. Gefördert worden wäre ich übrigens mit höchstens der Hälfte des Regelsatzes, also mit monatlich 172,50 Euro. Die erste Rate habe ich inzwischen bereits ausgegeben, ohne das Geld jemals erstattet zu bekommen - mehr kann ich mir nicht leisten…

Das machte ich dem Job-Center bei einem persönlichen Gespräch noch einmal klar. Die Reaktion: Achselzucken…“

Noch einmal Wilhelmshaven: Dort hat sich im Juni 2007 der stellvertretende Geschäftsführer des Jobcenters wutentbrannt verabschiedet, er ließ Türen knallen und stieg in sein Auto. In der Hunte bei Oldenburg fand er den nassen Tod. Nach diesem Selbstmord ließ die Staatsanwaltschaft ein paar Informationen über Unterschlagungen durchsickern und verhängte dann eine Nachrichtensperre. Die ist offenbar immer noch nicht aufgehoben worden. Fragen werden nicht beantwortet. Auch die neue Geschäftsführung des Jobcenters kann in diesem Fall eines bestens: nicht antworten.