Samstag, 9. Oktober 2010

Facebook-Beratung

9. Oktober 2010
So klappt die nie

Sind im Netz: Fast so viele Selbsthilfegruppen und Betroffene wie Jugendämter und Familiengerichte in der Bundesrepublik Deutschland. Gehen bei Facebook ins Netz: Fast so viele Betroffene, die Rat suchen, wie Betroffene, die Ratschläge geben.

Läuft dann so: Jemand gibt einen Tipp. Melden sich gleich zwei: So klappt das nie. Außerdem ist Vorsicht geboten bei den Jugendämtern X, Y und sogar Z. Warnungen sind das A und O jeder Beratung bei Facebook. Denn beispielsweise die Familienrichterin W hat Haare auf den Zähnen. Juristische. Wachsen bei jeder Verhandlung nach.

Tipp ist also nicht. Nächster Versuch. Fordert sogleich jemand: Die Jugendämter müssen abgeschafft werden. Und ein anderer: Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einschalten, darf keinesfalls versäumt werden. Geht aber alles auch nicht. Weiß ein weiterer Berater: Erst einmal muss eine Fachaufsicht für Jugendämter her.

Macht man trotzdem etwas und teilt bei Facebook mit: Haben ersten Erfolg erzielt. Kramt sogleich jemand ein totes Kind hervor, das angeblich unter der Obhut des Jugendamtes V gestorben ist. Oder tatsächlich. Wichtig ist nur: Negativ reagieren. Sonst bekommt noch trotz Facebook eine Mutter ihre Kinder wieder. Würde ein Weltbild zerstören. Geht nicht. Darf nicht sein.

Denn schon vor Jahren sind einer Mutter, die ihre Kinder wieder bekommen hat, die Kleinen wieder weggenommen worden. Streut ein Facebook-Berater Geschichtliches ein. Das niemand prüft. Dafür bleibt keine Zeit, denn unverzüglich muss ein Kommentar verfasst werden. Geht nicht ohne die Vokabel "Kinderklau".

Wird trotzdem aber kein Facebook-Unwort des Jahres. Verzichtet werden müsste dann auch auf: "Kinderklaubehörde". Verzichtet wird nicht. Auch nicht auf Zoff zwischen den Selbsthilfegruppen. Dafür ist immer Zeit.

Dienstag, 5. Oktober 2010

Was macht ein Hartz-IV-Empfänger?

5. Oktober 2010
Die sind doch alle zu faul zum Arbeiten

Wilhelmshaven liegt an der Nordseeküste und finanziell fast im Koma. 2015 gehen die Lichter aus, meint der scheidende Stadtkämmerer. Finanziell nicht gut geht es auch Hartz-IV-Empfängern.  Die sind allerdings - doch dazu eine Vorbemerkung. In Wilhelmshaven gibt es eine Ratsgruppe, die aus einer Bürgerinitiative gegen den JadeWeserPort hervorgegangen ist. Heißt BASU. B steht für Bildung, A für Arbeit, S für Soziales und U für Umwelt. Zurück zu den Hartz-IV-Empfängern. Die sind nach Meinung des BASU-Fraktionsvorsitzenden zu faul zum Arbeiten und belasten deshalb die Hälfte des städtischen Haushaltes.

Was also macht so ein Hartz-IV-Empfänger den lieben langen Tag? Nehmen wir mich. Als Hartz-IV-Empfänger mit Hinzuverdienst. Bei dem klingelt schon morgens um 9 Uhr das Telefon. Am Apparat eine Mittelamerikanerin, die um ihre Kinder kämpft. Ich bin inzwischen ihr Rechtsbeistand, verfasse Briefe, stelle Anträge, verschicke mails.

Meine Postbotin kommt immer gegen 9.30 Uhr. Mein Hund Mike stürmt ihr stets entgegen, wartet auf sein Leckerli. Heute in meinem Briefkasten: Eine Karte von einem Hartz-IV-armen Kind, dem ich ein Päckchen geschickt habe.

Ich schreibe gerade an die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung wegen der Mutter aus Mittelamerika, da klingelt mein Telefon schon wieder. Am Apparat ein sechsfacher Vater aus Südniedersachsen. Der erzählt mir, dass man ihm fünf Kinder genommen habe, obwohl ein Gutachter der Auffassung gewesen ist: "Eine Herausnahme der Kinder aus dem Haushalt ist nicht angezeigt." Doch das Gericht entschied anders. Warum? Zweite Frage: Warum durfte er ein Kind behalten? Ich empfehle ihm einen Staatsanwalt, um zu prüfen, ob eine Strafanzeige ratsam wäre.

Schon habe ich eine mail von einer Mutter aus Nürnberg. Der hat das Gericht am 23. September 2010 so allerlei vorgeworfen. Vier Tage später geht diese Mutter mit ihrer Tochter wie auch sonst regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung. Das Kind ist putzmunter, bescheinigt der Arzt ihr sogar schriftlich. Dann vergehen nur noch wenige Stunden, bis das Mädchen kassiert wird. Gerichtsbeschluss und ärztliches Attest bekomme ich per mail-Anhang.

Wieder ruft die Mutter aus Mittelamerika an. Bittet mich um einen Anruf, damit sie ihre Tochter besuchen darf. Wird erledigt. Die Heimleiterin aus Münster ist nett.

14 Uhr, ich radele zu meiner Mutter, damit sie nicht nachmittags allein auf der Terrasse sitzt, kehre gegen 18 Uhr zurück. Der nächste Anruf...

Tja, so ist das, wenn man zu faul zum Arbeiten ist...

Freitag, 1. Oktober 2010

Stuttgart 21

Protest gegen Stuttgart 21 auch am Weltkindertag.
Foto: Tjaden

1. Oktober 2010
Alle Gewalt kehrt als Wasserwerfer und Pfefferspray zurück?

Von deutschem Boden soll nie wieder ein Krieg ausgehen. Steht so im Grundgesetz. Aber so was wie Bürgerkrieg ist erlaubt? Wie jetzt in Stuttgart? Die Polizei mit Wasserwerfern und Pfefferspray gegen alle, die im Schlosspark gegen ein Großprojekt protestieren, das nach ihrer Auffassung bei Sparkursen im Bund, in Ländern und Gemeinden nicht in die Zeit passt?

Bäume müssen dafür weg - aber erst einmal Menschen. Die sich täglich friedlich im Schlosspark getroffen haben, während Aktivisten von Robin Wood auf Bäume kletterten. Überall bildeten sich diskutierende Gruppen, bekamen Kinder und Erwachsene bei herrlichem Wetter Kaffee, Kuchen und andere Köstlichkeiten. Während immer ein paar Bewaffnete Kreise durch den Schlosspark zogen. Schließlich hat der Staat das Gewaltmonopol?

Sogar Spezialisten aus Bayern sollen in den Schlosspark beordert worden sein. Mit Maschinenpistolen. Berichtet eine Kunsterzieherin aus Stuttgart. Und ein Sanitäter erzählt: "Einmal sind die Leute von Robin Wood sogar wieder von den Bäumen geklettert, damit sich Polizeibeamte bei dem Versuch, in die Bäume zu klettern, nicht das Genick brechen."

Dafür wird jetzt dem Widerstand das Genick gebrochen? Mit brutaler Gewalt? Damit Bürgerinnen und Bürger begreifen: Alle Gewalt geht vom Volke aus und kehrt als Wasserwerfer und Pfefferspray zurück?

Richter verzweifelt an Staatsgewalt