20. Januar 2009
Als die Bundesfamilienministerin einmal...
„Eine junge Frau durchlitt alle Ängste des Verfolgtseins, der Bedrohung durch rohe Gewalt, des Angriffs auf den Körper, eine sexuelle Beleidigung, die Furcht bis an die Schwelle der Panik - und dann die Befreiung…“, so hat am 16. August 1980 ein Lokalredakteur aus Burgdorf bei Hannover nachgelegt, weil die derart Gepeinigte mit dem Artikel vom Vortag nicht ganz zufrieden war und telefonisch weiteres Öl in das journalistische Feuer goss.
Der Name der Informantin lautete: „Röschen“ Ursula-Gertrud Albrecht. Die inzwischen Ursula von der Leyen heißt, als Bundesfamilienministerin so häufig den Sprung in die Schlagzeilen schafft wie sonst kaum jemand aus dem Kabinett und zurzeit nach einem möglichen Regierungswechsel als Bundesgesundheitsministerin gehandelt wird. Wie man in die Schlagzeilen kommt, hat sie in jenen Tagen auch schon als 22-jährige Studentin gewusst. Die Telefondrähte ließ sie so lange glühen, bis alles in der Lokalzeitung stand. Der Lokalredakteur war dafür ein dankbarer Abnehmer, er hatte sein Handwerk bei einer Illustrierten gelernt.
Loblieder auf das Opfer wechselten sich in diesem Artikel ab mit Horrorszenen, in denen ein 14-Jähriger die Hauptrolle spielte. Das las sich so: „Was die 22jährige Tochter des Ministerpräsidenten allerdings dann tat, ist beispielhaft und läßt überragenden psychologischen und pädagogischen Instinkt erkennen. Sie setzte sich für den Jungen auf eine energische und wirkungsvolle Weise ein, die sie als würdige Tochter eines Elternpaares erscheinen läßt, das selbst ein Beispiel christlicher Nächstenliebe gibt, denn die Mutter ist Schutzherrin der Lebenshilfe, ihr Vater Schutzherr der Vietnamflüchtlinge.“
So hat sie es damals lesen wollen, so schrieb es der Redakteur, der anschließend schilderte, wie sich „Röschen“ Ursula-Gertrud Albrecht seinerzeit in Burgdorf-Beinhorn auf ihr Rad geschwungen und auf den Weg in ein Nachbardorf gemacht hatte. Und schon wurde sie von einem 14-Jährigen verfolgt, der schließlich „brutal zugriff“. Also kehrte sie um, der Junge aber blieb hinter ihr: „Ich hörte sein Keuchen in meinem Rücken.“ So lautete auch die Schlagzeile.
Dann erzählte die 22-Jährige: „Ich starrte ihn an. Wortlos. Und ich sah in seinen Augen die Hemmungslosigkeit. Ich sah aber auch den Jungen, etwas schmutzig, und ich dachte an meine Brüder, die manchmal auch so schmuddelig aussehen, wenn sie vom Spielen kommen. Und dann wieder die Anwendung brutaler Gewalt…fast geriet ich in Panik.“
Doch so weit kam es nicht, vor ihrem Elternhaus stieg sie in ein Polizeiauto und aus dem 14-Jährigen wurde der Verfolgte, der kurz darauf ebenfalls im Fahrzeug saß und wimmerte: „Bitte, sagt es nicht meiner Mutter!“ Taten sie aber doch und „Röschen“ Ursula-Gertrud Albrecht bekam einen Anruf von der Mutter des Jungen. Die Mutter bat um Rücknahme der Strafanzeige.
Statt dessen wurde sie öffentlich und für einige identifizierbar an den Pranger gestellt. Das bewerkstelligten der Lokalredakteur und „Röschen“ Ursula-Gertrud Albrecht als minutenlang am Telefon Plaudernde so: „Was sie dann auf dem kleinen Hof nahe (es folgt der Name des Dorfes) erfuhr, erklärt vieles, entschuldigt aber nichts. Erst, als Fräulein Albrecht verlangte, allein mit dem Jungen zu sprechen, erfuhr sie, dass er zwar seinen Stiefvater mochte und respektierte, aber Angst vor der Mutter hatte. So wurde er, dessen leiblicher Vater nach zehnjähriger Nervenkrankheit gestorben war, aggressiv, hatte Schwierigkeiten in der Schule.“
Die nach diesem Artikel die Mutter bekam, denn mehr Informationen braucht in einem Dorf niemand, um mit Fingern auf einen kleinen Hof zu zeigen. Das Ende von der Zeitungsgeschichte: „Der Junge, seine Mutter und sein Stiefvater waren einverstanden, dass er sein Zuhause verläßt. Ab heute wohnt er auf Vermittlung jener Frau, die er angegriffen hatte, in einem Jugenddorf, wo er an einem Berufsförderungslehrgang teilnehmen kann.“
Als das in der Burgdorfer Lokalzeitung stand, wusste der Vater von „Röschen“ Ursula-Gertrud Albrecht angeblich noch von nichts: „Ich schreibe ihm heute alles in einem Brief.“ Ob das noch nötig war? Ein Polizeibeamter sagte damals: „Die Geschichte habt ihr aber ganz schön aufgeblasen.“ „Röschen“ Ursula-Gertrud Albrecht hatte dem Lokalredakteur aber auch den Notizblock so was von voll diktiert…
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen