Montag, 16. Mai 2011

Neubürger

16. Mai 2011
Ist noch nie "Wort des Jahres" gewesen

„Neubürger“ ist noch nie „Wort des Jahres“ gewesen. Darüber kann man sich nur wundern, die Gesellschaft für deutsche Sprache muss auf diesem Ohr taub sein. Denn: Seit Jahren rufen sie alle nach Neubürgern. Jede Kommune, jede Stadt. Sogar solche, die ihre Altbürger weggeschickt haben. Beispiel: Sachsen.


Dabei ist „Neubürger“ doch etwas Erstrebenswertes, wie neu geboren, neu verliebt oder neues Auto. Denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Aber so neu sind die Bürger gar nicht, um die geworben wird. Sie sind weiter 40 Jahre alt, wenn sie 40 Jahre alt sind, sie sind weiter Großeltern, wenn sie Großeltern sind. So betrachtet ist „Neubürger“ Etikettenschwindel. Nirgendwo gibt es einen Jungbrunnen.

Dennoch machen alle weiter, zahlen sogar schon Prämien, machen Geschenke, überreichen Gutscheine. Besonders gefragt sind junge Familien. Rentner können bleiben, wo sie sind – oder sich für Mallorca entscheiden.

Warum aber zieht jemand um? Weil eine Stadt schön ist? Die kann noch so schön sein, wenn man woanders einen sicheren Arbeitsplatz hat, bleibt man dort. Seine Siebensachen packt man nur, wenn der Betrieb seinen Standort wechselt oder das neue Arbeitsplatzangebot dermaßen attraktiv ist, dass man gar nicht nein sagen kann.

Und ein Arbeitsloser? Je länger jemand arbeitslos ist, desto höher werden die Hürden für einen Umzug. Städte und Gemeinden werben also gar nicht um „Neubürger“, sondern um Arbeitskräfte. Dazu müssen aber erst einmal Arbeitsplätze geschaffen werden. Schon beginnt ein zweiter Wettlauf. Der Wettlauf um die Ausweisung von Gewerbegebieten. Der ist inzwischen derart irrsinnig geworden, dass die Bundesregierung sich verpflichtet hat, diesem Treiben Einhalt zu gebieten.

Volkswirtschaftlich betrachtet bringt diese Neubürger-Werberei auch nichts. Sie führt weder zu einem Anstieg der Zahl der Beschäftigten noch zu einer Steigerung des Bruttosozialproduktes. Außerdem: Was eine Gemeinde an Einnahmen gewinnt, verliert eine andere. Nennt man Nullsummenspiel. Doch Nullsummenspiel wäre noch vergleichsweise gut, denn unter dem Strich steht: Geld aus dem Fenster geworfen, sinnlos Natur zerstört. Schluss damit!

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