Sonntag, 27. Juni 2010

WM-Reporterdeutsch

27. Juni 2010
Wenn die Mannschaft im Spiel nicht ankommt

Das Fußballfieber vor dem Spiel Deutschland gegen England steigt. Auch bei dem Mann, der an einer Bushaltestelle auf einer Bank sitzt und einer Frau, die aus einer Bäckerei auf der anderen Straßenseite Brötchen holen will, mit auf den Weg gibt: "Wir gewinnen heute. Da bin ich ganz sicher." Die Frau nicht so ganz: "Beim Fußball gibt es auch Überraschungen."

Uruguay und Ghana sind bereits im Viertelfinale - schafft das auch Deutschland? Wie sich das Spiel entwickelt, werden wir ab 16 Uhr sehen. Außerdem hören wir wieder: Reporterdeutsch. Nicht gut um die deutsche Elf bestellt ist es bei diesem Satz: "Die Mannschaft ist im Spiel noch nicht angekommen." Schlimm genug, aber nicht ganz so schlimm, ist: "Der Spieler ist noch nicht drin im Spiel." Ausdrücken können Reporter das auch so: "Der Spieler hängt in der Luft."

Wichtig bei einem Fußballspiel sind Schnelligkeit, Präzision und Überraschungsmomente. Mangelt es daran, wird das so deutlich gemacht: "Der Ball ist zu lang." "Es gibt keine Pärchenbildung." "Die Außenbahnen fehlen."

Gewonnen werden müssen möglichst viele Zweikämpfe. Sonst heißt es auf Reporterdeutsch: "Am Boden kann er die Leute nicht ausspielen." Kommt endlich ein deutscher Spieler an einem englischen vorbei, besteht Grund zur Hoffnung: "Diese Aktion könnte der Wecker sein."

Also: Den Wecker stellen - um 16 Uhr ist Anpfiff!

Freitag, 25. Juni 2010

Fan-Geplauder

25. Juni 2010
"Gutes Tor" der deutschen Elf - und gegen wen verliert Italien?

Im Vorüberradeln schnappe ich einen nicht vollendeten Satz auf. "Das Tor war gut, aber sonst...", sagt ein Kunde, der gerade ein Geschäft verlässt. So hakt er das Spiel gegen Ghana ab. Nun also das Achtelfinale und ein Fußball-Klassiker. Her mit den bislang schwachen Engländern.

"Die hauen wir weg", gibt heute die "Bild"-Zeitung die "Sun" und sagt eine "Schlacht" voraus. Dazu wird es hoffentlich nicht kommen.

Nicht mehr kommen kann es außerdem zu einer Titelverteidigung von Italien. Der noch amtierende Weltmeister hat sich gestern aus dem Turnier verabschiedet. Mit einer Niederlage gegen...

Darüber sind sich zwei Männer vor einem Supermarkt nicht einig. "Zum Schluss ist es gegen Slowenien noch spannend geworden."

"Nicht Slowenien", antwortet der andere, "Serbien."

So wie sich die Italiener in Südafrika nicht zurechtgefunden haben, so finden sich diese beiden Männer auf der Landkarte nicht zurecht. Denn Italien hat weder gegen Slowenien noch gegen Serbien verloren. Sondern gegen die Slowakei.

Fußballübertragungen sind eben kein Bildungsfernsehen...

Sonntag, 20. Juni 2010

WM-Pille wird eckig

20. Juni 2010
Schieb doch mal den Ball ein Stück weiter

Vuvu - zähl aber doch bitte mal die Tore, die bei der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika bisher gefallen sind. Wenn man dann die Treffer abzieht, bei denen Torhüter so lange mitgeholfen haben, bis die Pille endlich hinter der Linie war, fragt man sich, ob inzwischen fast alle Mannschaften ohne Stürmer und mit Vierfach-6 und vier Innenverteidigern spielen.

Was fehlt bei den meisten Begegnungen? Rassige Strafraumszenen, genaue Vorlagen in die Gefahrenzone des Gegners, geniale Doppelpässe und unnachahmliche Alleingänge.

Dennoch sind die Franzosen inzwischen so stolz auf die bislang gezeigten Leistungen, dass sie aufs Training verzichten und einen Spieler in den verdienten Urlaub schicken, Italien will sich erst im Finale entscheiden, ob der Ball gut genug ist für die Elf oder nicht, England wartet auf ein Wembley-Tor und stürmt los, sobald ein solches Tor aufgestellt wird, Brasilien hält sich strikt an das Spielverbot des Trainers und vertreibt sich irgendwie die Zeit bis zum Abpfiff.

Wenn jetzt auch noch Argentinien auf die blöde Rumrennerei mit Zuckerpässen verzichtet, wenn die Spanier nicht wieder über die Alpen kommen und Deutschland die Schiedsrichterallergie nicht auskuriert, dann ist alles Frankreich, Italien, England und Brasilien.

Die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika bekommt den Beinamen "25. Juni 1982" als Erinnerung an das damalige Ballgeschiebe zwischen Deutschland und Österreich - und Algerien holt den Titel...

Mittwoch, 16. Juni 2010

Munterhorn statt Matterhorn

16. Juni 2010
Schweizer Nati feiert Auftaktsieg gegen Spanien

Jetzt wird in der Schweiz einiges umgetauft: Munterhorn statt Matterhorn, Zermunter statt Zermatt. Die Nati ist mit einem 1 : 0-Sieg gegen Spanien in die Fußballweltmeisterschaft gestartet. Nun wird´s auch was mit dem Achtelfinale. Honduras und Chile werden die nötigen Punkte (ab-)liefern.

"Einfach nur Geilson" spielt der "Blick" mit dem Namen des Siegtorschützen als habe man sich bei "Bild" ein paar Schlagzeilenmacher ausgeliehen wie die Eidgenossen Ottmar Hitzfeld. Der hat nichts dem Zufall überlassen. Zum Training wurden Fans mit Vuvuzelas zu einer Lärm-Generalprobe eingeladen. Aber nicht nur akustisch ist die Nati gut vorbereitet gewesen. Auf dem Platz wurde getan, was getan werden musste: Den Spaniern wurde die Spielfreude verdorben. Das ist - denkt man an die Fußballeuropameisterschaft - ein Kunststück.

Wenn Ottmar Hitzfeld weitere Kunststücke gelingen, werden in Zürich, Bern und Basel Straßen nach ihm benannt. Brasilien als möglicher Gegner im Achtelfinale kann man ebenfalls die Spielfreude verderben. Hat Nordkorea bereits bewiesen.

Also, hopp Schwiiz - auch wenn man das beim Vuvuzela-Lärm im Stadion nicht hören kann.

Montag, 14. Juni 2010

Bienenschwarm

14. Juni 2010
Nachbar schwebt in höchster Gefahr

Heute bin ich losgerannt. 20.40 Uhr. Ist nicht weit bis zum Supermarkt. Der hat Insektenspray. Hoffe ich. Muss meinen Nachbarn retten. Der schwebt in höchster Gefahr. Bin an seinem offenen Wohnzimmerfenster vorbeigekommen. Beim letzten Hundespaziergang an diesem Montag.

Der Supermarkt hat Insektenspray. Ich nehme vorsichtshalber zwei Dosen. Bezahle dafür an der Kasse 5,98 Euro. Ist mir mein Nachbar wert. Sein Leben auch.

20.50 Uhr. Ich klingele Sturm. Mein Nachbar öffnet nicht. Ist er schon tot? Zerstochen von einem Bienenschwarm? Ich eile um das Haus herum. Rufe ins offene Wohnzimmerfenster. Mein Nachbar erscheint. Ist nicht zerstochen. Ist ungehalten. Will wissen, warum ich ihn belästige.

Hinter ihm summen Bienen. Sie stechen ihn aber nicht. Was sind das für Bienen? Eine neue Züchtung? Ohne Stachel? So ein Mist, sagt mein Nachbar. Paraguay hat gerade gegen Italien das 1 : 0 geschossen. Als krasser Außenseiter. Und er hat dieses Tor nicht gesehen. Wegen mir. Nicht wegen der Bienen. Die scheinen ihn nicht zu stören.

Bei Ihnen in der Wohnung summt es. Weiß er bereits. Teile ich ihm trotzdem mit. Bienen, vermute ich. Bestreitet er. Keine Bienen, sagt er. Vuvuzela, informiert er mich. Tröten der Südafrikaner. Dort findet die Fußballweltmeisterschaft statt. Gehört dazu. Dieses Summen im Stadion.

Ich halte meinem Nachbarn die beiden Dosen Insektenspray hin. Er nimmt sie. Für den Fall, sage ich, dass mal bei Ihnen Bienen summen.

Freitag, 4. Juni 2010

Kabel-Salat Deutschland

4. Juni 2010
In einem Haus mit einem Inkassobüro


Gerichtsvollzieher und Mitarbeiter von Inkassobüros haben es üblicherweise nicht leicht. Sobald ruchbar wird, dass sie auftauchen, verkrümeln sich vermeintliche und tatsächliche Schuldnerinnen und Schuldner, wenn Gerichtsvollzieher oder Mitarbeiter von Inkassobüros zweimal klingeln, ist niemand da. Das kostet Nerven. Und Zeit.

Zeit sparen dagegen Gerichtsvollzieher und Mitarbeiter von Inkassobüros, die für Kabel Deutschland Geld eintreiben sollen. Nicht immer - aber immer häufiger. Weil: Zumindest vermeintliche Schuldnerinnen und Schuldner warten nicht immer auf den ersten Klingelton an ihrer Wohnungs- oder Haustür, sie schwärmen selbst aus, machen sich auf den Weg zu Gerichtsvollzieher oder Mitarbeiter eines Inkassobüros.

Erleben kann man das live und in Farbe, wenn man in einem Haus wohnt, in dem auch ein Gerichtsvollzieher oder ein Mitarbeiter eines Inkassobüros lebt. Schon vor dem ersten Hundespaziergang lässt man ein Ehepaar herein, dass Rechnungen von diesem Erfurter Unternehmen bekommt, dann Mahnungen und schließlich..."Wir sind noch nie bei Kabel Deutschland Kunden gewesen", berichten sie im Vorübergehen.

Ob´s stimmt? Gegenfrage: Würde das jemand erfinden und losmarschieren? Kaum vom Hundespaziergang zurückgekehrt, steht jemand vor einem, der nachweisen kann: "Gestern habe ich die aktuelle Rechnung von Kabel Deutschland bekommen und heute einen Brief vom Inkassobüro, in dem die Rechnung von gestern angemahnt wird." Ein Blick auf die Rechnungsnummern beweist: Der Mann hat Recht.

Das kann man nun nicht mehr wuppen? Kann man - erfährt man aus der Leidensgeschichte eines weiteren Protestlers. Dessen Postbotin hat die Rechnungen von Kabel Deutschland zurückgeschickt, weil sie meinte: "Der wohnt jetzt woanders." Als sie ihren Irrtum eingesehen hatte, informierte sie das Unternehmen aus Erfurt über die Panne. Worauf Kabel Deutschland entgegnete: "Die Rechnungen sind nie an uns zurückgeschickt worden." Womit wir etwas völlig Neues gelernt hätten: Eine Postbotin gesteht eine Panne zu der es nie gekommen ist?

Ausbaden muss die der Protestler. Dessen Telefonleitung ist inzwischen tot. Damit beweist das Erfurter Unternehmen seine Dankbarkeit dafür, dass jener Kunde die monatlich fälligen Beträge weiter überwiesen hat. Bei diesen Überweisungen gab er seine Kundennummer an, die Rechnungsnummern kannte er schließlich nicht.

Der Mann ahnt Böses auf dem Weg zum Inkassobüro-Mitarbeiter: "Überweisungen ohne Rechnungsnummern können die in Erfurt nicht zuordnen." Bald wird er wissen, ob das stimmt. Die tote Telefonleitung könnte ein Beweis für seine These sein.