Dienstag, 6. April 2010

Vom Vater missbraucht

30. März 2010
Annäherungen an ein Tabu-Thema

So weit ist es also gekommen: Jetzt hat die katholische Kirche einen Sonderbeauftragten für alle Fragen im Zusammenhang des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger in der Kirche. Stephan Ackermann heißt er, der 46-Jährige kommt aus Trier und ist Bischof. Organisiert wird derzeit eine Telefonaktion. Melden können sich Opfer und Täter.

Die Bundesregierung dagegen hat keinen Sonderbeauftragten, sondern eine Sonderbeauftragte für das Thema sexueller Missbrauch. Christine Bergmann heißt sie, die 70-Jährige kommt aus Dresden und ist Familienministerin gewesen.

Vor 30 Jahren war sexueller Missbrauch noch ein Tabu-Thema, die so genannte "Frauenbewegung" brach mit diesem Tabu - viele Opfer jedoch schwiegen weiter. Oder erzählten ihre Leidensgeschichte hinter vorgehaltener Hand einer Freundin oder einem Freund. Jede dieser Geschichten begann mit dem Satz: "Das erzähle ich nur dir..."

Wie Sabine K. Sie wohnt in einer Kleinstadt, ist dort aufgewachsen, als sie acht Jahre alt war, stand ihr Vater nach Mitternacht zum ersten Mal vor ihrem Bett. Er kam aus einer Kneipe, fummelte an ihr herum. Die Achtjährige erstarrte, ließ es geschehen. Danach war ihr tagelang schlecht. "Dich hat es aber schlimm erwischt", sagte die Mutter. "Das wird schon wieder", sagte der Vater. Sabine K. schwieg, nachts lauschte sie in die Dunkelheit, fürchtete sich vor jedem Geräusch. Besonders groß war ihre Angst, wenn ihr Vater einen Kneipenbummel machte. Dann wusste sie: "Er kommt in mein Zimmer."

Mit jedem Missbrauch wuchs die Scham von Sabine K., sie gab sich die Schuld für die Verbrechen ihres Vaters, den alle für freundlich und hilfsbereit hielten. Sie war ein schlechtes Mädchen. Daran zweifelte sie nicht. An ihrem 13. Geburtstag wollte sie sich das Leben nehmen. Doch auch dafür reichte ihre Kraft nicht mehr. An diesem Tag verunglückte ihr Vater tödlich. Er krachte mit seinem Auto gegen einen Baum.

Sabine K. legte bei der Beerdigung eine rote Rose auf den Sarg ihres Vaters. Das fanden alle rührend. Sie empfand nichts. Schaute sich dabei zu. Ein schlechtes Mädchen hatte für immer Abschied genommen von seinem Vater.

"Seitdem funktioniere ich wie ein Roboter", sagt sie. "Ich gehe zur Arbeit. Wenn Feierabend ist, fahre ich nach Hause. Schlafe viel." Ihr Bruder kümmert sich um sie. Er teilt mit ihr eine Wohnung. "Sie ist nun einmal depressiv", sagt er, "wenn ich nur wüsste, warum..."

Teil 2

Diese Artikel beruhen auf wahren Begebenheiten, die so verfremdet sind, dass keine der realen Personen wieder erkannt werden kann.

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