18. April 2008
Gesund soll es sein
Die Sonne scheint, habe ich in der Schule gelernt, über Gerechte und Ungerechte - und seit ein paar Jahren auch über weibliche und männliche Leute, die sich von Weitem betrachtet merkwürdig vorwärts bewegen. Sogar wenn sie allein unterwegs sind, sind sie nicht ganz allein, denn zwei haben sie immer dabei: Stöcke - und mein Hund wird mit jedem Meter Distanzverringerung aufgeregter, weil er sich darüber zu freuen scheint, dass nicht nur er vier Beine hat. Außerdem hofft er auf so manches Flugobjekt, das er auch zurückbringen würde.
Mike ist mit vier Beinen auf die Welt gekommen, während diese Menschen, die er so sehr mag, für die beiden weiteren Beine teuer bezahlen müssen. Doch das tun sie gern, weil sie davon überzeugt sind, dass sie sich mit dieser Unterstützung gesünder vom Fleck rühren als wenn sie mit dem Rad oder auf Schusters Rappen unterwegs wären.
So steht es auch hin und wieder in der Zeitung, denn Kurse für diese Fortbewegungsart gibt es in jeder Stadt, die überall auf die gleiche Weise angepriesen werden. Mann oder Frau schone so seine Gelenke, lernen sie, die Muskulatur werde gestrafft, Verspannungen verschwinden, sogar geringes Tempo erhöhe die Fitness, außerdem werde für eine bessere Fettverbrennung gesorgt.
Nun hat Mike eine dieser Stock-Gruppen erreicht, Schwanz wedelnd wartet er auf den ersten gelungenen Weitwurf, doch es fliegen nur Gesprächsfetzen vorbei wie „Mein Mann hat…“ - „Meine Tochter will nicht…“ - „Was soll ich nur…“ Für eine Entspannung der Stimmbänder sorgt Nordic Walking also nicht. Diese gesunde Sportart müsste dringend um ein Schweigegelöbnis erweitert werden.
Mike hat inzwischen das Interesse an Stöcken verloren, die nicht durch die Luft fliegen, sondern in den Boden gepiekst werden, er jagt hinter einem Vogel her, entspannt so seinen Rücken, verbrennt Fette und löst so die Verspannungen in den Flügeln seiner gefiederten Freunde.
Müde macht ihn eine solche Jagd auch, zu Hause rollt er sich in seinem Körbchen zusammen, hinter seiner gerunzelten Stirn verbirgt sich die Frage: „Werde ich die Menschen jemals begreifen?“ Dann schläft er den Schlaf eines Gerechten.
Steht auch hier
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen